2025-03-06
Das Schaffen von Künstlerinnen im 19. Jahrhundert wurde lange unterschätzt. Nicht nur ihre Werke sind heute weniger bekannt als die ihrer Zeitgenossen, auch die von ihnen verwendeten Materialien und Techniken wurden nur vereinzelt zu erforscht. Einen seltenen Einblick in die Maltechnik von Künstlerinnen um 1900 bietet eine Umfrage des Breslauer Museums [1].
Die teilnehmenden Künstlerinnen
Das Schlesische Museum der bildenden Künste in Breslau befragte zwischen 1899 und 1938 Kunstschaffende nach der Maltechnik ihrer Gemälde im Museumsbestand. Dazu wurde ab 1912 ein vorgefertigter Fragebogen verschickt, der in der Folgezeit beim Ankauf neuer Werke zum Einsatz kam. Die Breslauer Umfrage ist wohl die älteste erhaltene Künstlerbefragung im deutschsprachigen Raum, die sich systematisch nach der Maltechnik erkundigte. Von den über 100 Teilnehmenden haben 9 Künstlerinnen auf die Anfrage des Museums geantwortet.
Einige von ihnen waren zu Lebzeiten bekannt und gefragt, so Gertrud Staats (1859–1938), der „eine führende Rolle unter den schlesischen Künstlerinnen“ ihrer Zeit zugeschrieben wird [2]. Bertha Wegmann↗ (1847–1926 in Kopenhagen) wurde als erste Frau in den Vorsitz der Königlich Dänischen Kunstakademie gewählt. Margarete (Grete) Waldau (1868–1935) war eine Architekturmalerin, die in der seinerzeit ausgesprochenen Männerdomäne auch öffentliche Aufträge erhielt, zum Beispiel 1913 für Fresken im neuen Spandauer Rathaus [3]. Einige Künstlerinnen unterrichteten in Malschulen wie zum Beispiel Clara Sachs (1862–1921) [2]. Hermine Laukota (Hermína Cecílie Josefa Laukotová 1853–1931 in Prag) hingegen schrieb 1912 über ihr Gemälde in Breslau, dass es sich als einziges sei, das sich „in einer öffentlichen Sammlung befindet“ [1].
In Breslau hatten Frauen seit den 1880er Jahren die Möglichkeit an der Königlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule zu studieren. Die Künstlerinnen waren untereinander vernetzt, denn 1902 wurde die „Vereinigung Schlesischer Künstlerinnen“ gegründet, der von den befragten Malerinnen Gertrud Staats, Marie Spieler (1845–1913), Dora Seemann(1858–1923), Elise Nees von Esenbeck (1842–1921), und Helene Tüpke-Grande (1871–1946) angehörten [2].
Maltechnik im Fokus
Die Auswertung der Künstlerantworten gibt interessante Hinweise auf die Maltechnik. Jede Künstlerin äußerte sich zu einem Gemälde aus der Breslauer Sammlung, mit Ausnahme von Gertrud Staats, die drei Werke beschrieb. Aus den Antworten geht hervor, mit welchen Materialien die Künstlerinnen gearbeitet haben. Gertrud Staats erwähnte als einzige neben Leinwand auch Pappe und auf Holz aufgezogenen Karton als Bildträger. Zwei Malerinnen trugen die Grundierung selbst auf, die anderen benutzten vorgrundierte Leinwände. Soweit die Angaben eindeutig sind, malten alle mit Ölfarben. Die verwendeten Verdünnungs- und Malmittel unterschieden sich ebenso wie die Aussagen zum Firnis.
Im Jahr 2022 hätte Bertha Wegmann ihren 175. Geburtstag gefeiert – ein guter Anlass, ihre Angaben zur Maltechnik näher zu betrachten. Bertha Wegmanns Gemälde Sommer kam 1906 in das Schlesische Museum der bildenden Künste in Breslau. Laut Museumskatalog zeigt es eine Mutter mit entblößtem Busen und zwei Säuglingen vor einem Kornfeld [4]. Die Künstlerin beantwortete 1913 einen Fragebogen des Museums zur Maltechnik ihres Gemäldes. Im Begleitschreiben gab sie an, sich nicht mehr genau erinnern zu können, beschrieb aber ihre übliche Vorgehensweise. Die Malerin verwendete eine handelsübliche Leinwand mit Halbkreidegrund, den sie zunächst mit verdünntem Leim bestrich. Die Ölfarben der Firmen Schoenfeld und Moewes trug sie alla prima ohne Malmittel auf. Anschließend überzog sie das Bild mit französischem Firnis der Firma Soehnée Fréres, übermalte es stellenweise, verzichtete aber vor dem Verkauf an das Museum auf einen Schlussfirnis.
Die Breslauer Künstlerbefragung ermöglicht einzigartige Einblicke in die Malpraxis um 1900, insbesondere von Künstlerinnen, deren Techniken bisher wenig Beachtung fanden.
Verweise
[1] Silke Beisiegel: Künstlerbefragung zu maltechnischen Angaben zwischen 1899 und 1938 im Schlesischen Museum der bildenden Künste zu Breslau, München 2014.
[2] Schlesisches Museum zu Görlitz (Hrsg.): Rollenwechsel. Künstlerinnen in Schlesien um 1880 bis 1945, Görlitz/Zittau 2009.
[3] Staatliche und städtische Kunstpflege.↗ In: Die Werkstatt der Kunst, 13. Jg., Heft 1, Berlin 1913, S. 8.
[4] Das Gemälde einer stillenden Mutter von Wegmann↗ ähnelt dieser Beschreibung.
Silke Beisiegel - 19:09 @ Material und Technik