In meinem Blog gebe ich Einblicke in die kunsttechnologische Forschung sowie in die Konservierung und Restaurierung von Gemälden und gefassten Holzskulpturen. Dabei geht es sowohl um technische Untersuchungen als auch um praktische Herausforderungen.
Die Beiträge beleuchten für Kunstinteressierte Fragen rund um Materialien und deren Verwendung in Kunstwerken sowie deren Erhaltung.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ergänzend wird für alle, die mehr über das Thema wissen möchten, auf weiterführende Fachliteratur, digitale Publikationen und Datenbanken verwiesen.
Der nächste Beitrag in diesem Blog erscheint voraussichtlich am 09.06.2025.
2025-05-04
Otto Muellers Malerei fasziniert durch ihre matte Farbigkeit. Doch wie erzielte er diesen Effekt? Lange Zeit blieb die Rezeptur seiner „Leimfarbe“ ein Rätsel, da der Künstler in den bisher bekannten Quellen keine Details preisgab. Daher schien es, als könnten nur kunsttechnologische Untersuchungen und Materialanalysen Antworten liefern. Doch ein Archivfund im Nationalmuseum in Wrocław brachte eine neue Spur.
Die Dokumente enthalten die bislang einzigen bekannten Angaben Muellers zu seiner Maltechnik. Zwischen 1899 und 1938 befragte das Schlesische Museum der bildenden Künste in Breslau über 100 Künstler*innen nach der Technik ihrer Werke. Die Umfrage wurde im Blog bereits zu zwei Themen vorgestellt, zum einen zur Verwendung von Öl- und Ölharzfarben und zum anderen zu den teilnehmenden Malerinnen. Auch Otto Mueller (1874–1930) beantwortete zwei, der seit 1912 standardisierten Fragebögen zur Entstehung seiner Gemälde Gehöft (Bauernhof) und Paar (Ehepaar). Letzteres wurde 1920 vom Breslauer Museum erworben und gelangte nach dem Zweiten Weltkrieg in das Sprengel Museum in Hannover, wo es heute als Liebespaar bekannt ist.
Otto Mueller über seine Vorgehensweise
Für beide Gemälde bereitete der Künstler die Leinwand selbst mit einem Kreidegrund vor. Zum Malen nutzte er in beiden Fällen Leimtempera, die er „selbst angerührt“ hat. Die Farben trug er in mehreren Schichten auf. Als Malmittel verwendete er Leim und Leinöl, beim Paar zusätzlich Glyzerin. Auf die Frage nach einem Schlussfirnis reagierte Otto Mueller eindeutig negativ: „Jeder Firniß würde das Bild verändern und kaput machen“.
Seine Angaben wurden mit veröffentlichten Untersuchungsergebnissen und kunsttechnologischer Literatur abgeglichen. Um die Erkenntnisse praktisch nachvollziehen zu können, wurden gezielte Versuche durchgeführt.
Maltechnische Versuche mit Leimfarbe
Eine Rezeptur mit Hasenhautleim, Leinöl und Glyzerin, die sich an die Leimtempera aus Max Doerners Malerhandbuch von 1921 anlehnte, wurde erprobt. Doch wie kann man eine wässrige und eine ölige Komponente mischen, ohne dass sich die Phasen trennen? Der warme, noch flüssige Leim wird gemeinsam mit dem Leinöl in einem geschlossenen Glas so lange geschüttelt, bis der Leim geliert und mit dem Öl ein gelartiges Bindemittel (Emulsion) bildet. Verschiedene Mischungsverhältnisse wurden mit Pigmenten angerieben und auf eine mit Kreidegrund versehene Leinwand aufgetragen. Mit der am besten geeigneten Mischung wurde ein Ausschnitt eines Originalgemäldes aus dem Dresdner Albertinum kopiert und dann verglichen. Das Ergebnis: Der Farbauftrag zeigte eine ähnlich matte Oberfläche und den charakteristischen Malstrich.
Solche Archivfunde helfen nicht nur dabei, künstlerische Techniken besser zu verstehen. Die Quelle unterstreicht Muellers klare Ablehnung eines Firnisses und gibt damit Einblick in seine künstlerische Intention. Ein Aspekt, der für restauratorische Entscheidungen von großer Bedeutung ist.
Foto: Detail maltechnische Studie, auf Leinwand, zwei Schichten Kreidegrund, darüber ockerfarbene, dunkle und blaue Farbschichten und ein heller Bereich in Leimtempera © Silke Beisiegel
Literatur: Silke Beisiegel: „Leimfarbe“ – Das Geheimnis der Maltechnik Otto Muellers. In: Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, 31. Jg., Heft 1, 2017, S. 64–81.
Silke Beisiegel - 15:36 @ Material und Technik
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