Dr. Silke Beisiegel
Diplom-Restauratorin für Ihre Gemälde, Rahmen und gefassten Holzskulpturen



BeisiegeLOG: Maltechnik & Restaurierung im Detail


Wie sind Gemälde und Skulpturen entstanden und welche Spuren helfen, den Werkprozess zu entschlüsseln? Wie können Kunstwerke erhalten werden?

In meinem Blog gebe ich Einblicke in die kunsttechnologische Forschung sowie in die Konservierung und Restaurierung von Gemälden und gefassten Holzskulpturen. Dabei geht es sowohl um technische Untersuchungen als auch um praktische Herausforderungen.


Die Beiträge beleuchten für Kunstinteressierte Fragen rund um Materialien und deren Verwendung in Kunstwerken sowie deren Erhaltung.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ergänzend wird für alle, die mehr über das Thema wissen möchten, auf weiterführende Fachliteratur, digitale Publikationen und Datenbanken verwi
esen.

 

Stilisierte Darstellung des Blicks durch das Mikroskop: runder Auschnitt zeigt Gemäldedetail



Willkommen bei BeisiegeLOG!

Ich bin promovierte Restauratorin für Gemälde und gefasste Holzskulpturen mit einem Faible für maltechnische Details und die Kunst um 1900.
In meinem Blog verbinde ich Forschung und Praxis – mal sachlich, mal mit einem Augenzwinkern.

Denn die Freude an der Kunst und ihrer Erhaltung begleitet mich durch alle Projekte.


Alle Blogartikel im Überblick: Hier geht es zum Blog-Inhaltsverzeichnis.



Beiträge zu Maltechnik & Restaurierung im Detail

Der nächste Beitrag in diesem Blog erscheint voraussichtlich am 01.09.2025.




2025-08-02

Künstlerische Freiheit in der Natur und standardisierte Malsysteme

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden neue, mobile Malsysteme, die aus aufeinander abgestimmten Malgründen in standardisierten Bildformaten, passenden Farbmittelsystemen und ergänzendem Zubehör bestanden. Durch die griffbereite Produktpalette wurde die Freiluftmalerei vereinfacht und somit auch im Bereich der Laienmaler gefördert. Ein zentrales Hilfsmittel war der sogenannte Daumenkasten, der handlich und effizient bis heute in Gebrauch ist. Doch woran erkennt man, ob eine Malerei in einem solchen Kasten entstanden ist?

Funktionsweise des Daumenkastens
In Verkaufskatalogen sind kompakte Kästen zu sehen, die am Boden einen Griff oder eine Daumenöffnung aufweisen. So konnte der Kasten wie eine Palette in der Hand gehalten werden. Im Inneren war Platz für Farbtuben, Pinsel und eine kleine Palette. Der Bildträger, eine Pappe oder Holztafel in handelsüblicher Standardgröße, konnte fixiert werden, während mit der freien Hand skizziert wurde. Diese handlichen Malkästen erfreuten sich besonders bei den Impressionisten großer Beliebtheit, da sie es ermöglichten, Eindrücke direkt vor Ort festzuhalten.
 
Die Spuren auf dem Bild
Ein Beispiel ist Henri de Toulouse-Lautrecs Fischerboot aus dem Jahr 1880, das sich im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln befindet. Wie sich technikgeschichtliche Entwicklungen an den Werken selbst ablesen lassen, zeigen unscheinbare Details: Die unbemalten seitlichen Ränder und eine Aussparung am unteren Rand verweisen auf die Befestigung der Tafel im Daumenkasten.
Auch an Werken deutscher Künstler*innen lassen sich solche Spuren erkennen. In einer Ausstellung zu den Italienreisen deutscher Künstler*innen waren auch kleine Ölstudien von Hermann Prell präsentiert. In seinen Memoiren beschreibt er die Verwendung von sogenannten Daumenkästen. Einige seiner kleinen Ölskizzen auf Holztafel und Pappe weisen an zwei Kanten unbemalte Stellen auf, die auf die Halterung im Kasten hinweisen. Solche Details helfen heute, Studien korrekt einzuordnen und Arbeitsprozesse zu rekonstruieren, etwa in musealen Kontexten oder bei Restaurierungen.

Ein Nachbau für die Vermittlung
Auch wenn Daumenkästen bis heute hergestellt werden, habe ich für die Ausstellung einen eigenen gebaut: Zunächst durch den Umbau eines kleinen Kastens, später sogar einer alten Zigarrenkiste. Zum einen möchte ich als Restauratorin gern die künstlerischen Arbeitsprozesse im wörtlichen Sinne „begreifen“. Ein eigener Versuch mit dem Daumenkasten hat mir dabei geholfen, diese kleinen Details aus der Praxis des 19. Jahrhunderts besser zu verstehen. Zum anderen konnte ich den Besucher*innen so anschaulich demonstrieren, wie solche Kästen verwendet wurden. Die Verbindung von Objekt, Arbeitsweise und Werkspur wurde dadurch unmittelbar erfahrbar.

Verweise:
Im Bericht des Forschungsprojekts Impressionismus zu Toulouse-Lautrecs Fischerboot finden sich auch Abbildungen aus einem historischen Verkaufskatalog.
Ein Beispiel für die Bauanleitung einer Pochade Box finden sie hier.
Wenn Sie erfahren möchten, wie Hermann Prell seine Ölstudien anfertigte, lesen Sie hier weiter.
Mehr zu handelsüblichen Öl- und Harzölfarben um 1900 erfahren Sie in einem anderen Blogbeitrag.

Box_neu.jpg
Fotos: Der umgebaute Holzkasten dient als Daumenkasten mit Einschubnuten für den Bildträger. Seitlich kann die Palette herausgezogen werden, unter der sich Platz für Farbtuben, Pinsel und Malmittel befindet. © Silke Beisiegel

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Silke Beisiegel - 20:28 @ Material und Technik, Untersuchung


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